Der Landkreis Ludwigshafen (heute Rhein-Pfalz-Kreis) kümmerte sich um den Saalkreis (den Landkreis um die Stadt Halle in Sachsen-Anhalt) - die Stadt Schifferstadt nahm sich besonders der Stadt Löbejün an.
Interessantes über die Anfangsjahre erfahren wir aus erster Hand vom damaligen Schifferstadter Bürgermeister Josef Sold in seinem Artikel zu den Partnerschaften der Stadt „Wege über die Grenzen“ in der Orts-Chronik „Schifferstadt - Geschichte und Geschichten“ (1998):
Eine ungewohnte Aufgabe stellte sich Vorderpfälzer Bürgermeistern und Verwaltungen im August 1990, als nach dem Zusammenbruch der DDR Landrat Dr. Bartholomé in einer Bürgermeisterversammlung aufrief, den Gemeinden im Saalkreis, dem Landkreis um die Stadt Halle, zu helfen, funktionierende Verwaltungen aufzubauen.
Im März 1991 waren erstmals Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem Saalkreis einer Einladung der Kommunalpolitischen Vereinigung Ludwigshafen-Land gefolgt und hatten sich intensiv mit dem System Westdeutscher Kommunalverwaltungen und Zweckverbände beschäftigt.
In der Folge kamen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Gemeindeverwaltungen im nördlichen Saalkreis nach Schifferstadt, um sich zu informieren, regelrecht zu lernen. Gerne leistete die Stadtverwaltung Schifferstadt der Stadt Löbejün und anderen Gemeinden im nördlichen Saalkreis aktive Verwaltungshilfe.
Löbejün - Geburtsstadt von Carl Loewe
Die Stadt Löbejün liegt nördlich der Stadt Halle, Sachsen-Anhalt, im Saalkreis. Die Gemeinde wurde 961 in einer Urkunde von Kaiser Otto I. erstmals erwähnt. Man geht davon aus, dass Löbejün ursprünglich eine befestigte Sorbensiedlung war. Die Entstehung des Namens der Stadt ist umstritten. Er könnte sorbisch-wendischen, also slavischen Ursprungs sein, eine andere Erklärung leitet den Ortsnamen von dem deutschen Wortstamm "Luib" für Läubchen oder Laube und dem Wortstamm "Hun" für Hain oder Wäldchen ab. So hieße Löbejün "Waldlaube", was am naheliegendsten erscheint. Die Verleihung der Stadtrechte an Löbejün erfolgte zwischen 1280 und 1390.
Der alte historische Stadtkern in seiner einzigartigen baulichen Vielfalt und in seiner Gesamtheit noch fast vollständig erhaltener Bauten und Denkmäler ist von einer Mauer aus einheimischem Porphyr-Stein umgeben. Das Hallische Tor - das einzige alte Stadttor im gesamten Saalkreis - diente ab 1824 als Stadtgefängnis, später als Wohnung. Heute steht es, nachdem es 1992 restauriert wurde, als Museum allen Besuchern und Gästen offen.
Die Stadtkirche St. Petri und die Hospitalkapelle St. Cyriaki verdienen besondere Erwähnung. Letztere ist das älteste Gebäude in Löbejün und wurde Mitte des 15. Jahrhunderts zusammen mit einem Hospital für arme Menschen und durchziehende Reisende errichtet. Sie wird heute für kulturelle Veranstaltungen genutzt.1125 wird die Stadtkirche St. Petri erstmals erwähnt, 1425 ein Neubau errichtet, der mit seinem hohen Turm die Silhouette Löbejüns prägt.
In St. Petri erhielt Carl Loewe, der als 12. Kind eines Kantors und Löbejüner Schulmeisters geboren wurde, seine erste Ausbildung vom Vater und sang als "Solodiskantist" im Kirchenchor. Der spätere Theologe und Kantor, Lehrer und Komponist wurde als Balladenmeister und bedeutendster deutscher Balladenkomponist weltberühmt.
Löbejüns kleine verschlungene Straßen und Gassen mit ihren Häusern und Mauern aus rotem Porphyr verweisen auf die Porphyr-Industrie. Seit 1518 wird in Löbejün Porphyr gebrochen. Um 1622 begann der Steinkohlebergbau, der bis 1884 Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt war. Löbejün zählte im Jahr 1994 2 500 Einwohner und ist Trägergemeinde der Verwaltungsgemeinschaft Nördlicher Saalkreis mit Löbejün und den Gemeinden Plötz, Domnitz und Nauendorf mit insgesamt 5 000 Einwohnern.
In der Stadt ist auch der Abwasserzweckverband Fuhne beheimatet. Der 1995 gegründete Zweckverband für Wasserversorgung Nördlicher Saalkreis sitzt ebenfalls in Löbejün. Eine Grund- und Sekundarschule (für mehrere Orte) ist ebenso vorhanden wie ein Kulturhaus und die öffentliche Zentralbücherei, eine Konzerthalle und das Heimatmuseum.
Die Verkehrsanbindungen an drei Landesstraßen und die Bahnlinie sind gut. Mehrere Buslinien sorgen für den Zubringerverkehr in die Stadt. Der schnelle Zugang zur Erholungszone um den Petersberg, die günstige räumliche Lage in unmittelbarer Nachbarschaft zur überregionalen Entwicklungsachse Halle-Magdeburg und die geplante Autobahn A 14 wird den Standortvorteil noch wirksamer werden lassen.
Quelle: Magistrat der Stadt Löbejün: Löbejün, Manuskript o. J.,
und Mitteilung von Thomas Madl an den Verfasser, Juni 1996
Der Abwasserzweckverband Fuhne, in dem 16 Gemeinden des Saalkreises und des Landkreises Kürten organisiert sind, erhielt wichtige Impulse von den Schifferstadter Beamten und Angestellten und konnte bereits nach drei Jahren, im Februar 1995, den Bau einer zentralen Großkläranlage beginnen.
Schon im Oktober 1991 hatte Bürgermeisterin Monika Geier in Krosigk ein "altes" Tanklöschfahrzeug der Schifferstadter Feuerwehr, Baujahr 1961, übernehmen können. Schifferstadter Wehrleute haben es überführt; seitdem treffen sich die Wehren aus Krosigk und Schifferstadt.
Werkdirektor Cörper vom Zweckverband für Wasserversorgung, Schifferstadt, gab mit seinen Mitarbeitern Hilfestellung bei der Erneuerung und Verbesserung der Trinkwasserversorgung, der Zweckverband für Wasserversorgung nördlicher Saalkreis ist der Partner.
Treibende Kraft "drüben" war der Bürgermeister von Löbejün, Thomas Madl, später auch Abgeordneter im Landtag von Sachsen-Anhalt. Im März 1995 hat er dankbar dem Bürgermeister, den Beigeordneten und Stadtratsmitgliedern von Schifferstadt gezeigt, was inzwischen mit Schifferstadter Hilfe geschaffen wurde. Für die Schifferstadter war es selbstverständlich, dass Thomas Madl 1996 beim Rettichfest-Umzug schon zum zweiten Mal in der Bürgermeisterkutsche saß.
Dass bei all diesen Kontakten weitere Verbindungen geknüpft werden, ist nicht verwunderlich.
Zum unvergesslichen Erlebnis wird der Carl-Loewe-Konzertabend mit dem Bariton Johannes Sterkel im Schifferstadter Club Ebene Eins im Jahr 1997. Parallel dazu ist eine Fotoausstellung über die Geschichte und Entwicklung der Stadt Löbejün im Foyer des Rathauses zu sehen.
Auch eine fruchtbare unternehmerische Zusammenarbeit darf verzeichnet werden: In den Jahren 1998 bis 2001 lässt die Stadt Löbejün einen Bauernhof aus dem 19. Jahrhundert in eine Stadthalle ausbauen. Bei dieser Aufgabe steht das Schifferstadter Architekturbüro Bernd Melcher dem Löbejüner Stadtrat beratend zur Seite. Das „Historische Stadtgut“ soll zum kulturellen Zentrum der Stadt entwickelt werden.
Die Stadt Löbejün pflegt die Tradition, zu besonderen Anlässen Steine aus dem örtlichen Porphyr-Steinbruch zu setzen. So erhält die Stadt Schifferstadt zum Jubiläum „50 Jahre Stadtrechte“ im Jahr 2000 einen solchen Porphyr als Freundschaftssein, der Ecke Speyerer Straße/Herzog-Otto-Straße aufgestellt ist.
Und 2001, anlässlich des zehnjährigen Bestehens der freundschaftlichen Verbindung, spendet Schifferstadt der Saalkreis-Kommune ein Carl-Loewe-Konzert, das im Carl-Loewe-Haus in Löbejün aufgeführt wird.
Im gleichen Jahr unternimmt die Radfahrervereinigung Schifferstadt eine Etappen-Tour zum Stadtfest anlässlich der 1040-Jahr-Feier, zu der auch Bürgermeister Edwin Mayer mit einer Schifferstadter Delegation anreist.
Bei der Bürgermeisterwahl im Januar 2002 wird Thomas Madl als einziger Kandidat mit 92,92 % bei einer Wahlbeteiligung von 36,15 % für sieben Jahre wiedergewählt.
Auf Antrag der CDU-Stadtratsfraktion beschließt der Schifferstadter Stadtrat im Februar 2002 die offizielle Städtefreundschaft mit Löbejün. Die Räte beider Gemeinden sind sich einig und die Urkunden werden im selben Jahr, am Tag der Deutschen Einheit, am 3. Oktober 2002, von den Bürgermeistern Edwin Mayer und Thomas Madl in Löbejün unterzeichnet:
„Durch die Besiegelung der Städtefreundschaft sollen die seit 1991 bestehenden freundschaftlichen Beziehungen und Verbindungen zwischen den Stadtverwaltungen, Vereinen, Institutionen, Gruppen und Privatpersonen der Städte Löbejün und Schifferstadt vertieft und gefestigt werden.“
Eine weitere Besonderheit im musikalischen Bereich hat die Carl-Loewe-Geburtsstadt Löbejün vorzuweisen: ein Schalmeien-Orchester. Zum ersten Mal erschallen in Schifferstadt solche für Pfälzer Ohren ungewohnte Instrumente, als die Gruppe 2003 eigens zu einem Auftritt beim Neujahrsempfang anreist. Auch beim Rettichfest-Umzug 2006 spielt dieses Orchester auf.
Im Jahr 2008 freut sich Bürgermeister Madl über seine Wiederwahl, doch er muss ums Überleben seiner „Stadt“ kämpfen – bei einer Verwaltungsreform:
Eine paritätisch mit SPD und CDU besetzte Gruppe des Magdeburger Landtags einigt sich auf „flächendeckende Einheitsgemeinden“.
Zum 1. Januar 2011 wird per Gesetz aus den bisher politisch eigenständigen Städten und Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Saalkreis Nord die Einheitsgemeinde „Stadt Löbejün-Wettin“ gebildet. Der neu gewählte Stadtrat verändert zudem in einer Sitzung Ende Januar 2011 mit 17 von 29 Stimmberechtigten bei 10 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen die Reihenfolge dieses Doppelnamens: ab 1. April 2011 heißt die Stadt Wettin-Löbejün. Die Schifferstadter Partnergemeinde Löbejün hat nun den Status einer „Ortschaft“ und gehört mit weiteren Ortschaften (Brachwitz, Döblitz, Domnitz, Dößel, Gimritz, Nauendorf, Neutz-Lettewitz, Plötz, Rothenburg und Wettin) der neuen Stadt Wettin-Löbejün an.
Der bisher hauptamtliche Bürgermeister Thomas Madl ist nun ehrenamtlicher Ortsbürgermeister der Ortschaft Löbejün. Bürgermeisterin der Einheitsgemeinde Stadt Wettin-Löbejün ist Antje Klecar.
Nicht nur Bürgermeister Klaus Sattel weilt während seiner Amtszeit mit einer Delegation zu einem Informationsbesuch in Löbejün, im April 2014 begibt sich auch Bürgermeisterin Ilona Volk auf die Reise: zu den weltbekannten Carl-Loewe-Festspielen mit hochkarätigem Programm, musikalischen Raritäten und internationalen Künstlern – natürlich trifft sie dort Bürgermeister Madl und lernt Land und Leute kennen.
Und genauso wenig lässt es sich der Löbejüner Bürgermeisterkollege nehmen, wichtige Schifferstadter Ereignisse mitzuerleben.