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Stolpersteinverlegung 2014, Bahnhofstraße 50

Georg May


Mit 16 Jahren absolvierte er eine Ausbildung zum Küfer, dann ging er als Geselle auf der Walz durch mehrere Länder. Als Kohlentrimmer auf einem Truppentransporter fuhr er mit 18 Jahren bis nach Japan. Drei Jahre leistete er Wehrdienst bei der 1. Torpedo-Division in Kiel, wo er sich auch im Ringerclub engagierte. In Schifferstadt heiratete er und eröffnete einen Weinhandel, den er bald aber schließen musste. Darauf heuerte er als Stewart in Hamburg an. Im Ersten Weltkrieg diente er ab 1914 an der Westfront, stets in der ersten Linie, ab März 1918 verbüßte er eine dreijährige Haft wegen Angriffs auf einen Feldwebel. Aus dem Gefängnis durch Novemberrevolution befreit, war er einige Monate in Soldatenräten aktiv. In einem erfolgreichen zweiten Anlauf eröffnete er wieder ein Weingeschäft in Schifferstadt. Georg May genannt auch der "Bärenmay" engagierte sich ab 1923 in der Seperatistenbewegung, auch in führender Position, die eine autonome Pfalz anstrebte. Wegen seiner Teilnahme an einem Putsch 1923/24 wurde er geächtet. 1932 verlor er sein Haus, das 1933 zur Zentrale der NSDAP wurde. Er selbst flieht ins Saarland aus Furcht vor Verfolgung durch die Nazis. 1934 kam er aus Heimweh wieder zurück. Doch es folgte trotz herzlichem Willkommen ein Ortsverbot durch die Zentralverwaltung, aufgrund der Befürchtung, er würde die Schifferstädter polit. Aufhetzen oder Unruhe stiften. Er wohnte in wechselnden Orten um Schifferstadt herum, versuchte alles bis zur Reichskanzlei, das Verbot aufheben zu lassen und unterschrieb sogar eine Bittschrift mit Heil Hitler. Nach mehrmaligen Rückkehrversuchen wurde er im Mai 1936 in Ludwigshafen wegen angeblichem Hochverrat verhaftet. Am 4.1.1937 erfolgte der Schutzhaftbefehl und die Deportation nach Dachau. Am 30. Januar 1937, nur sieben Tage nach der Einlieferung in Dachau wurde Georg May auf dem Weg ins Krankenhaus erschossen. Die näheren Umstände seines Todes wurden nicht geklärt. Trotz mehrerer Anträge seiner Witwe erhielt Frau May weder Entschädigung noch Unterstützung durch staatliche Stellen, dies unter Hinweis auf „unehrenhafte Separatistentätigkeit“ ihres Mannes.


Text zum Gedenken:

Aus: Lion Feuchtwanger:

„Du sollst in Häusern wohnen, die Du nicht gebaut hast.“

An den Bewohner meines Hauses […]

Ich weiß nicht, wie Sie heißen, mein Herr, und auf welche Art Sie in den Besitz meines Hauses gelangt sind. Ich weiß nur, dass vor zwei Jahren die Polizei des Dritten Reichs mein gesamtes bewegliches und unbewegliches Vermögen beschlagnahmt und der Reichsaktiengesellschaft für Konfiskation des Vermögens politischer Gegner (Aufsichtsratsvorsitzender Minister Göring) überwiesen hat.

Ich erfuhr das aus einem Schreiben der Hypothekengläubiger. Sie teilten mir erläuternd mit, die Rechtsprechung des Dritten Reichs verstehe, wenn es sich um das konfiszierte Vermögen politischer Gegner handle, unter ‚Vermögen‘ nur die Aktiva. Trotzdem also mein Haus und meine Banknoten, die die Hypothek um ein Vielfaches überstiegen, konfisziert seien, sei ich verpflichtet, die Hypothekenzinsen genauso wie meine deutschen Steuern aus meinem im Ausland neu zu erwerbenden Vermögen weiter zu bezahlen.

Sei dem wie immer, jedenfalls sitzen jetzt Sie, Herr X, in meinem Haus, und ich habe nach der Auffassung deutscher Richter die Zinsen zu zahlen.

Wie gefällt Ihnen mein Haus, Herr X? Lebt es sich angenehm darin? Hat der silbergraue Teppichbelag der oberen Räume bei der Plünderung durch die SA-Leute sehr gelitten? […]

Was fangen Sie wohl mit den beiden Räumen an, die meine Bibliothek enthielten? Bücher, habe ich mir sagen lassen, sind nicht sehr beliebt in dem Reich, in dem Sie leben, Herr X, und wer sich damit befasst, gerät leicht in Unannehmlichkeiten. Ich zum Beispiel habe das Buch Ihres „Führers“ gelesen und harmlos konstatiert, dass seine 140.000 Worte 140.000 Verstösse gegen den deutschen Sprachgeist sind.

Infolge dieser meiner Feststellung sitzen jetzt Sie in meinem Haus. Manchmal denke ich darüber nach, wofür man wohl im Dritten Reich die Büchergestelle verwenden könnte. Seien Sie vorsichtig, falls Sie sie herausreißen lassen, dass die Mauer darunter nicht leidet. […]

Und was haben Sie mit dem Terrarium angefangen im Fenster der Längswand meines Arbeitszimmers? Hat man wirklich meine Schildkröten und meine Eidechsen totgeschlagen, weil ihr Besitzer „fremdrassig“ war? […]

Kommt es Ihnen übrigens nicht doch manchmal merkwürdig vor, dass Sie in meinem Haus sitzen? Ihr „Führer“ gilt sonst nicht für einen Freund der jüdischen Literatur. Ist es da nicht erstaunlich, dass er sich so gern an das Alte Testament hält? Ich selber habe ihn mit viel Stimmaufwand zitieren hören: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (womit er wohl „Vermögenskonfiskation um literarische Kritik“ meinte). Und jetzt hat er auch Ihnen eine Verheißung des Alten Testaments wahrgemacht, den Spruch: „Du sollst in Häusern wohnen, die du nicht gebaut hast.“ [Ex 21,24]

Lassen Sie mein Haus nicht verkommen, Herr X. Es zu bauen und einzurichten, hat Frau Feuchtwanger und mir viel Mühe gemacht. Es zu bewirtschaften und zu erhalten, macht nicht viel Mühe. Pflegen Sie es, bitte, ein bisschen. Ich sage das auch in Ihrem Interesse. Ihr „Führer“ hat versprochen, dass seine Herrschaft tausend Jahre dauern wird: ich nehme also an, Sie werden bald in der Lage sein, sich mit mir über die Rückgabe des Hauses auseinanderzusetzen.

Mit vielen guten Wünschen für unser Haus

Lion Feuchtwanger.

Nach: „Wer schweigt wird schuldig!“ Offene Briefe von Martin Luther bis Ulrike Meinhof. Hrsg. Und komm. Von Rolf-Bernhard Essig und Reinhard M. G. Nickisch, Göttingen 2007, S. 153-156